Deltisten erobern den Alpstein
Auch die heute übliche Typenprüfung der Fluggeräte war damals nicht vorgeschrieben. Die Fluggemeinschaft Altenrhein betrachtete es aber als ihre Aufgabe, sich für die Sicherheit im Hängegleitersport einzusetzen und damit etwas gegen die unzähligen, leider nur zum Teil übertriebenen Horrormeldungen zu unternehmen. 1977 begann man die Fluggeräte mit Spezialfahrzeugen auf ihre Festigkeit hin zu prüfen, und senkrechte Abwurfversuche aus Schwebebahnen mit angehängten Puppen von 80 kg Gewicht sollten feststellen, ob sich die Fluggeräte aus dieser gefährlichen Fluglage selbst wieder zu stabilisieren vermochten. Unsere Gründungsmitglieder waren massgeblich an der Einführung von Sicherheitsstandards für Deltas und an der Ausarbeitung von Ausbildungsrichtlinien für angehende Piloten beteiligt.
Ein Relikt aus jener Zeit ist das sogenannte Seefliegen. Im Jahre 1978, als sicher noch niemand etwas mit dem Begriff ‘Sicherheitstraining‘ anfangen konnte und noch fast 20 Jahre bis zur Diskussion über
einen obligatorischen Ausbildungteil vergehen sollten, führte die Fluggemeinschaft das erste Seefliegen mit zehn Teilnehmern an der Rorschacher Seepromenade vor zahlreichem Publikum durch. Die Bedeutung war schon damals eine doppelte: Zum einen sollten die Piloten die Handhabung moderner Rettungsgeräte üben, zum anderen sollte die Öffentlichkeit sich ein eigenes Bild von diesem neuen Sport machen können. Die Fluggemeinschaft sorgte mit ihren frühen Versuchen zur Erprobung moderner Rettungsgeräte weltweit für Aufsehen und hat sicher wesentlich zur Imagepflege des Hängegleitersports beigetragen.
Die technische Entwicklung der Fluggeräte, das Obligatorium für ein intensives Schulungsprogramm zur Erlangung eines Ausweises für Hängegleiterpiloten und der Umstand, dass seit ca. 1979 fast alle Piloten einen Notfallschirm mit sich führen, haben der neuen Sportart die notwendige Seriosität verliehen und die Unfallzahlen stark verringert. Werner Büchel, Instruktor und Experte des SHV und damals Präsident der FGA, Engelbert Büchel, Hanspeter Köstli, Walter Röösli und einigen anderen Deltapiloten der Fluggemeinschaft kommt das grosse Verdienst zu, mit Anlässen wie ‘Verhalten in Notsituationen‘ oder Übungen zum Fallschirmfalten einen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit des Deltafliegens geleistet zu haben. So kam es wohl auch, dass die aktiven Piloten der FGA ein überdurchschnittlich hohes Niveau an fliegerischem Können aufwiesen.
In jener Zeit mussten auch Start- und Landeplätze erschlossen werden, die wir zum Teil heute noch mit aller Selbstverständlichkeit benützen. Am 24. August 1980 wurde die Startrampe im Bereich der westlichen Gipfelflanke des Säntis eingeweiht. Leider blieb der Verein auch von Flugunfällen nicht verschont. Im Jahr 1981 hatte die FGA den Verlust von zwei Deltapiloten zu beklagen. Nach einem tödlichen Unfall am Säntis wurde die Startrampe dort geschlossen und abgebrochen.
Am 23. September 1980 erliess die Innerrhoder Kantonsregierung zum Schutz des Wildes ein Überflugverbot für Deltasegler. Auf eine Intervention des Bundesamtes für Zivilluftfahrt BAZL – Gesetzgebung über die Luftfahrt ist ausschliesslich Bundessache – wurde dieses jedoch wieder annuliert. Seit nun fast 20 Jahren ist die Kooperation mit den Wildschützern Gegenstand der Vereinsarbeit.
Im Jahr 1980 wurden insgesamt 230 unfallfreie Windenstarts ausgeführt. Mit dem rechtsseitigen Rhein-Hochwasserdamm bei Diepoldsau verfügte die Fluggemeinschaft mit Bewilligung des BAZL über ein ideales Schleppgelände. Im August 1981 organisierte Werner Büchel im Auftrag des SHV sogar den ersten Instruktorenkurs für Schleppflüge. Die ‘Flugakrobaten‘ der Fluggemeinschaft (Vorgänger des Red-Bull-Acro-Teams!) demonstrierten auf der internationalen Wasserski-Show vom 26. Juli 1981 ihr Können vor Publikum. Selbstverständlich gehörte auch das Auslösen des Rettungssystems zum Pflichtprogramm.
Ende der Achtzigerjahre machte dann eine neue Art des Fliegens Furore: das Gleitschirmfliegen! Anfangs von den Deltisten noch belächelt und abschätzig als ‘Sackgumper‘ oder ‘Flattermänner‘ verspottet, zeigten die Schirmler schon bald, dass auch mit ihnen in Zukunft gerechnet werden muss. Obwohl die Fluggemeinschaft anfangs Mühe bekundete, die neue Spezies als vollwertige Flieger anzuerkennen, war der Boom nicht mehr aufzuhalten. Werner Büchel, Migg Lenz, Walter Röösli und Paul Fritschi nahmen den neuen Trend auf und betreiben teilweise noch heute Gleitschirm-Flugschulen im Alpstein. Migg Lenz setzte noch einen drauf und gründete zusammen mit Roman Bühler und Andy Hediger eine Manufaktur für Gleitschirme. Das Paratech-Dreieck ist weltweit auch heute noch sehr häufig am Gleitschirmhimmel zu sehen, obwohl zu der Pioniermarke heute natürlich viele weitere hinzugekommen sind.
Dass die Deltisten die nun immer zahlreicher strömenden Clubmitglieder letztlich doch ernst nahmen, dazu hat sicher beigetragen, dass Clubmitglied Andy Hediger als Werkspilot der Firma Paratech an den Gleitschirmweltmeisterschaften in St.André den Vize-Weltmeistertitel und mit der Nationalmannschaft den Weltmeistertitel nach Hause brachte. Zweimal ging der Schweizermeistertitel der Clubs an unsere Gleitschirmflieger. Umgekehrt richtete die FGA schon viele Flugsportanlässe aus – teils mit Blick auf harten Wettkampf, teils mit Blick auf breites Publikumsinteresse. Als Nachfolger des Ostschweizer Delta Open gibt es heute das Ostschweizer Gleitschirm Open.
Und wie ging es weiter? Als am 30. März 1996 in Appenzell zum zweiten Mal die SHV-Generalversammlung bei der FGA zu Gast war, gab es bereits Gerüchte über einen neuen Starrflügler, der deltaleicht und erschwinglich sein sollte. Mit dem Starrflügler ‘Extasy‘ lancierte Migg Lenz 1997 dann tatsächlich eine neue Kategorie von Hängegleitern, so dass es im Club nun eine weitere Pilotenkategorie gibt: Der-mit-der-Klappe-steuert….
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