ein 197km FAI Dreieck – das grosse Koster-Dreieck. Genial! Welcher Pilot würde
sich nicht über so einen Flug mächtig freuen? Mit diesem und einem weiteren
Flug, den ich am 08.05.08 gemacht habe, rangiere ich im CCC Klassement aktuell
auf dem 10. Platz – eine Ausgangsbasis, die ich nutzen möchte, um dieses Jahr
endlich einmal einen Top-Ten Platz in der Jahreswertung zu erreichen. Ein
Wunsch, der schon lange in mir schlummert. So sind es auch die Wünsche und
Gedanken – wir können ihnen auch Träume sagen – die aus meiner Sicht eine
grosse Bedeutung für das Erreichen einer sportlichen Leistungsgrenze haben. Wie
oft fliege ich im Traum durch die Gegend, z.B. morgens, wenn ich zum Bahnhof
laufe oder so. Und im Traum überwinde ich Grenzen, die mir in der Realität
bisher den Weg versperrt haben. Es hat noch viele weitere Komponenten, denn
dass der Glaube allein Berge versetzt, das wiederum glaube ich nicht. Es
braucht Erfahrung, Fitness, eine wirklich gute Symbiose zwischen Pilot und
Fluggerät und noch einige andere Dinge, die stimmen müssen – dies könnte z.B.
auch ein Plastikschlauch sein – nicht zuletzt das passende
Wetter .
Hammertag
Tja, und das Wetter war an
diesem Tag wirklich absolut top für Streckenflüge mit dem Gleitschirm in den Bündner
Alpen. Trotz hoher Labilität in den unteren Schichten (Temp. 0,8) kam es bei
den Cumuli nicht zu einer Überentwicklung. Sie blieben allesamt im Kleinformat
und damit hübsch artig. Nun, ich konnte mir den Tag aber nicht danach
aussuchen. Eigentlich wollte ich am Montag und Mittwoch fliegen – hab ja
schliesslich Ferien. Ein Tag Pause, das brauche ich zwischen den Flügen. In der Nacht
zum 12. schlief ich aber sehr schlecht und ich wusste, als ich so wach lag,
dass es keinen Sinn machen würde, so nach Fanas zu gehen. Mit 4 Stunden
Schlaf kann man keinen Hochleistungssport betreiben! Fitness ist nicht nur
Voraussetzung für lange, sondern auch für sichere Flüge! Ich blieb also zu
Hause. Zufällig telefonierte dann Brigitte von der FSA, ob ich noch Zeit hätte,
zwei Bi-Place zu fliegen. Das passte mir und ins Familienprogramm und ich und
meine Passagiere hatten zwei lässige Flüge in feinster Thermik. Das Geld konnte
ich auch grad gebrauchen, denn mein Portemonnaie war leer und der Ausflug nach
Fanas ist nicht gratis (rund 70 Franken lege ich etwa aus).
In der folgenden Nacht, mit der
schönen Bettschwere der Bi-Place-Flüge, schlief ich bestens und stand am Morgen
gut und gerne auf, um nach Fanas zu pilgern. Schänis prophezeite am Vorabend
für den 13. Mai den besten Streckenflugtag der Woche. Ich freute mich riesig
auf den Flug, als ich mit dem Velo und dem Sack auf dem Rücken zum Bahnhof
radelte. Dass man bei Zugabfahrt um 07:10 Uhr keine Wetterdaten mehr abrufen
kann ist ein Nachteil des ö.V. Aber ändern kann man das Wetter ja eh nicht J. Die rund 2
stündiger Zugreise nach Fanas ist dafür abwechslungsreich und entspannend.
Unterwegs steigen immer mehr Leute mit Gleitschirmen ein und in Schiers ist das
Postauto schliesslich zum bersten voll. Gut so, dass wenigstens ein paar den
ö.V. nutzen.
Ich traf viele
bekannte Gesichter. Raffael Pongratz von den Rheintal Gliders war auch wieder
da und wir beschlossen, möglichst gemeinsam zu fliegen. Am Startplatz war mein
eigenes Plätzchen wieder frei und so konnte ich mich in aller Ruhe vorbereiten,
Schlauch montieren und allerlei Geschäftchen erledigen. Schliesslich will so
ein Flug ja gut vorbereitet sein und ich hab’s gern, wenn ich mir ein bisschen
Zeit lassen kann. Um 10:00 Uhr kam schon die erste Hektik auf. Stefan
Hollenstein und andere starteten (auch Alfredo) – Mann haben die es aber eilig!
Raffi und ich starteten eine halbe Stunde später.
Start und Hoppla
An der Ostflanke kamen
wir schon sehr weit hinauf. Das machte überschwenglich und mit 2’900 Metern
Höhe visierte ich direkt Richtung Kreuz. Gutes Gleiten – „da mache ich doch
gleich ein paar Fotos.“ Am Stelser Berg dann die grosse Pleite. Ich glitt fast
bis hinten vor dem Gipfel der Südflanke entlang – dort drehten sie über dem
Kreuz auf. Aber bei Raffi und mir ging gar nichts. Wir flogen zurück, aber es
schien wie verhext. Raffi erwischte endlich Thermik und stieg über mir weg.
Jetzt wurde mir langsam klar, dass mit den heute noch gewogenen 103 Kilo
Fluggewicht der Omega 7 an der maximalen Gewichtsgrenze flog und das hohe
Gewicht wohl für diese Nullschieberei denkbar ungünstig war – „habe ich mir da
ein ‚Ei gelegt‘ und was hatte ich Ariane noch heute Morgen gesagt?“ („Ich saufe
eigentlich nie ab!“) „Hey, was soll das? Muss ich nun schon die Quittung für
diese eigentlich nüchterne Feststellung kassieren?“ Damit konnte ich mich zum
Glück nicht abfinden und ich kämpfte weiter um Höhe. Nach einer sehr langen
Zeit konnte ich endlich aufdrehen und nach 50 Minuten den Stelser Richtung
Madrisa verlassen.
Nachfliegen und Vorfliegen
Mit einem
Mal wendete sich das Blatt und die Flugverhältnisse liessen mich wieder hoffen.
Ich erreichte rasch die Madrisa und sah dann die ‚ersten‘ nach Davos queren.
Ich wechselte noch rasch hinüber zur nächsten Krete, aber weiter wollte ich
nicht mehr – zu viel Zeit hatte ich verloren und ich wollte rasch weiter
Richtung Chur. Beim Streckenfliegen sollte man flexibel sein. Das ist ja
gerade der grosse Vorteil der heutigen Reglemente. Wir können den Flug
unterwegs laufend optimieren. Es macht daher wenig Sinn, an fixen Plänen
gnadenlos festzuhalten. 1Std. und 50 Minuten nach dem Start setzte ich zur
Querung nach Davos an – mei o mei das waren ja erst knapp 20 Kilometer!!! Mit
der frühen Wende konnte ich an einige ‚Mitflieger‘ wieder anschliessen
(natürlich mit einem Minus an Streckenkilometern). Das Schanfigg war einmal
mehr ein Spass und absolut unproblematisch. Kurz vor Chur traf ich dann auf den
Raffi – juhui, wieder zusammen! Wir querten mit super Höhe rüber zum Calanda.
Dort fanden wir zuerst keine optimalen Verhältnisse – Raffi versetzte mit
seinem Schlauch massiv nach Norden. Wie war das heute mit dem Föhn? Im Rheintal
hatten sich am Morgen die Bäume schon verdächtig im ‚Bergwind‘ bewegt! Ich flog
zuerst noch weiter Richtung Südwest, weil dort am Ecken die besten Schläuche am
Calanda abgehen und der Südwind dort unterstützen statt nerven würde. So war es
dann auch und bald schon hatten wir (meine OMEGA und ich J ) eine
super Höhe (3’300 m.ü.M.) um weiterzufliegen. In Flims dann stieg es auf 3’500
Meter und das war so etwa mein Top bis Disentis. Mittlerweile aber spürte ich
den gnadenlosen Druck meiner Blase – ich musste Ballast ablassen und meine
‚Sanitäranlage‘ testen – wie befreiend! Danke an Philipp Hug für die geniale
Einrichtung! Auf meinen beiden letzten Flügen habe ich erstmals in meiner
Fliegerei dem Körper zu seinem Recht verholfen. Wasser trinken und Wasser
lassen kann man nicht ohne Folgen für Stunden unterbinden. Es ist enorm, wie
man auf einmal wieder locker und konzentriert fliegen kann. Ich merke erst
jetzt, dass ich in dieser Hinsicht jahrelang einen Fehler gemacht habe! Nach dem Crap flog ich mit wenig Höhe Richtung
Ilanz und wie schon alle male vorher musste ich hier die Thermik etwas länger
suchen. Immerhin, sie ist zu finden und drum ging es bald weiter nach Briggels.
Seit dem Calanda flog ich in Begleitung eines Deltas! „Ist das wahr – bin ich
unterwegs nach Disentis? Aber ja! Bei diesem Wolkenbild keine Frage.“
Wunderschön – die Briggelser Hörner haben es mir schon immer angetan – auch mit
Schnee! Heute musste ich mich ihnen nicht nähern und konnte sie im Vorbeiflug
geniessen. Hey, hier war ich noch nie aus dieser Richtung! Ich schaute jetzt
immer Richtung Glarnerland und suchte eine geeignete Stelle für den Wechsel vom
Bündner- ins Glarnerland. Dann sah ich sie – die Biferten Lucke. So, wie Thomas
Koster sie uns im Februar in Herisau gezeigt hatte. Ja, das war sie! Noch hatte
ich nicht genug Höhe, um mich dorthin zu wagen, aber von der Basis aus müsste
es gelingen. Und schon kamen zwei Schirme von Westen daher und steuerten auf
die Krete zu. Sollte ich mich ihnen anschliessen? Aber ich wollte noch nicht
wenden – mindestens Disentis wollte ich erreichen. Ich sah weiter westlich
nochmal zwei Schirme hoch oben an der Basis – das sollten meine Vorflieger für
das mir unbekannte Glarnerland werden. Während sie an mir vorbeizogen flog ich
noch immer talauswärts Richtung Disentis. Über dem Kloster wendete ich und
machte mich auf die Jagd nach den anderen…
Reise ins Unbekannte…
An der
Biferten angelangt spähte ich nach den Vorfliegern. Die ersten beiden sah ich
weit unten im Tal – sie mussten ziemliches Saufen erwischt haben – nicht gerade
verlockend. Einen Schirm sah ich oben über der Krete weiter voraus. Wie aber
sollte ich dahin kommen? Ich musste noch Höhe machen, um oben auf der Krete
weiterfliegen zu können. Also näherte ich mich dem Bifertenstock vorsichtig an
und soarte in sehr ruhigen Bedingungen daran auf. Oben mündete der Aufwind in
einen richtigen Schlauch, der mich bis auf 3’600 Meter brachte. So konnte man
die Sache in Angriff nehmen! Die beiden Tiefflieger sah ich nicht mehr (auch
sie kamen ans Ziel). Mein Weg führte über den Selbsanft Richtung Schwanden. Die
Krete Richtung Schwanden verläuft optimal, was die Sonneneinstrahlung betrifft.
Aber der Südost machte aus der Sonnenseite ein Lee – nicht ganz unproblematisch
also! Ich verfolgte meine Vorflieger und wollte fast einen kleinen Umweg
sparen, als sie seitlich bei einer Krete wieder einen guten Lift ausdrehten.
Ich entschied mich, dieselbe Krete anzusteuern und war wohl gut beraten, das zu
tun. Mit 3’700 Metern erreichte ich dort meine maximale Tageshöhe und folgte
den beiden nun mit wenig Abstand und super Höhe. Die Lage einiger Piloten
schien mir mehr als unschön – alle waren tiefer als ich und suchten an
verschiedenen Hängen nach Aufwinden. Alfredo Studer entschied sich für eine
Nordwestflanke und Marcel Dettling folgte ihm. Sie brachte aber nichts. Marcel
flog etwas zurück und Alfredo wechselte die Talseite zu einem Südhang. Ich fand
beides nicht verlockend. Mit meiner guten Höhe steuerte ich daher unter eine
grosse Wolke, die über Schwanden mitten im Tal draussen stand. Mit 2’400 Metern
Höhe begann ich den Schlauch zu suchen und begnügte mich erst mit schwächstem
Steigen. Nach gut 2 Minuten hatte ich brauchbares Steigen gefunden und stieg dann gemütlich weiter bis
auf 3’200 Meter. Das genügte, um die letzte Hürde zu nehmen, die mich noch vom
Walensee trennte. Das Miteinander ist auf einem Streckenflug eine sehr
spannende Angelegenheit. Klar ist es schön, allein zu fliegen – das bist Du eh
meistens. Aber es ist auch spannend zu sehen, wie die anderen Streckenjäger an
die Sache rangehen und man kann immer wieder – im positiven als auch negativen
– von ihnen profitieren. Ein besonderes Vergnügen ist es, wenn die anderen
hinter einem herdüsen müssen …
Einen Gang runter schalten und Finale
Mein Herz hüpfte – die Churfirsten lagen nun greifbar nahe.
Unterdessen hatten die ‚Mitflieger‘ ein paar Stockwerke weiter unten wohl alle
Hände voll zu tun, um den Flug nicht an dieser Stelle enden zu lassen. Aus dem
Nachflieger wurde ein Vorflieger. Mit 3’400 Metern Höhe konnte ich die
Talquerung beginnen – locker sollte das genügen bis zu den Churfirsten und so
genoss ich den ruhigen Flug über den Walensee in vollen Zügen. Ich peilte den
Hinterrugg an – die anderen hatten nichts anbrennen lassen und zogen jetzt
etwas weiter westlich um das Dreieck noch mehr aufzumachen. Ich wollte weiter
und machte gar keinen Versuch, am Hinterrugg Höhe zu machen. Diesmal erwischte
es mich – nach dem Chäserrugg soff es mich mit 4 Meter Sinken nach unten. Auf
1’100 Metern Höhe fand ich weiter vorne im Tal endlich wieder ein Steigen und
kam auf 2’500 Meter rauf. Genug, um mich an den letzten Thermikspender vor der
Rheintalquerung ranzumachen. Am Gonzen stand eine schöne Wolke – die wollte ich
nutzen! Ich fand den Schlauch und stieg und stieg und stieg. Währenddessen
eilten mir die anderen nach und kamen mit super Höhe daher. Am Gonzen aber
wollten sie partout nicht meinen Lift benutzen und suchten Ihr Glück an
verschiedenen Stellen. Sie fanden nicht viel und traten den Weg zum Falknis um
einiges tiefer an als ich. Ich meinerseits war ganz sicher, dass ich den
Falknis meiden wollte. Mit meiner Höhe konnte ich locker Richtung Vilan zielen.
Ich sah die anderen, die mir nun wieder vorausflogen, wie sie am Falknis kurze
Zeit suchten – dann flogen sie weiter zu meiner Ritsch, die ich hoch über Ihnen
erreichte. Mit meiner Höhe kam ich schnell wieder an die Basis und flog dann
von dort direkt über den Startplatz Eggli/Fanas. Das FAI Dreieck war
geschlossen und mit ein paar Wingovers und Juchzern über dem Bergrestaurant
feierte ich dieses grandiose Flugerlebnis. Ich rechnete nicht damit, so nah den
200er zu streifen. Yeah, was für ein Glück – der Flug war vollendet und ich war
immer noch fit, obwohl es langsam auf 9 Stunden Flugzeit zuging. Wie schrieben
die anderen im OLC? – so sollte Gleitschirmfliegen immer sein!
Dream your flights and fly your dreams – allzeit happy landing wünscht Euch Melchior